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Dr. Silva H. Ladewig

Die Ringgeste: Wie Politiker gestisch einen Punkt setzen

In der politischen Kommunikation ist die Ringgeste eine der am weitesten verbreiteten und ältesten Handbewegungen, die wir kennen. Schon seit etwa 2500 Jahren wird sie in der europäischen Kultur dokumentiert und findet sich in Kulturen weltweit.

Was ist die Ringgeste?

Die Ringgeste zeigt eine spezifische Handform, bei der Daumen und Zeigefinger an den Fingerspitzen so aufeinandertreffen, dass die Finger eine (mehr oder weniger) runde Form – einen Ring – bilden. Manchmal wird sie auch mit dem Mittelfinger ausgeführt, der den Daumen berührt. Die Position der verbleibenden Finger kann variieren: Sie sind entweder gespreizt oder gebeugt.

Symbolik und Nutzung der Ringgeste

Die Ringgeste, oft auch als "Präzisionsgriff" bezeichnet, ist eine faszinierende Manifestation konventionalisierter Körpersprache, die vielfältig in politischen und sozialen Kontexten eingesetzt wird. Ihre Form-Bedeutungs-Beziehungen sind stabil und sie kann in verschiedenen Kulturen unterschiedliche Konnotationen tragen.

Während die Geste in einigen nordeuropäischen Ländern als Zeichen für „alles ist okay“ anerkannt ist, kann sie in anderen Teilen, wie im südlichen Europa, als schwerwiegende Beleidigung interpretiert werden. Dies zeigt, wie kulturelle Unterschiede die Wahrnehmung und Interpretation von Gesten

In der politischen Arena wird die Ringgeste oft eingesetzt, um Präzision und Klarheit in der Argumentation zu symbolisieren. Dabei wird häufig die Ringgeste auf und abbewegt. Je emphatischer ein Argument ausgeführt wird, desto öfter wird die Geste wiederholt von oben nach unten bewegt. 

Ein Beispiel - Obama

Interessanterweise hat Michael Lempert eine bemerkenswerte Veränderung im Verhalten von Barack Obama während der ersten Präsidentschaftsdebatte festgestellt. Obama inszenierte sich nicht nur verbal, sondern auch gestisch als präziser Redner. Die Ringgeste, die Lempert als „Precision Grip“ bezeichnet, diente Obama als semiotische Ressource, um nicht nur einen präzisen Punkt zu machen, sondern sich auch als „scharfsinnig“ zu präsentieren.

Fazit

Die Ringgeste zeigt, wie tief Gesten in der menschlichen Kommunikation verwurzelt sind und wie sie kulturelle und zeitliche Grenzen überdauern können. Sie dient als faszinierendes Beispiel dafür, wie Gesten in der politischen Arena und darüber hinaus genutzt werden, um Diskurse zu formen und zu beeinflussen. Außerdem ist sie ein Beispiel dafür, dass in bestimmten Kommunikationskontexten wie Debatten Gesten mit pragmatischer Funktion stärker gebraucht werden als beschreibende Gesten.

Quellen:

Zur Ringgeste im Allgemeinen

Müller, C., Ring-gestures across cultures and times: Dimensions of variation, in Body - Language - Communication. An International Handbook on Multimodality in Human Interaction., C. Cornelia Müller, A., Fricke, E., Ladewig, S. H., McNeill, D., Bressem, J., Editor. 2014, De Gruyter Mouton: Berlin/Boston. p. 1511-1522.

Zur Ringgeste im Deutschen

Neumann, R., The conventionalization of the ring gesture in German discourse, in The semantics and pragmatics of everyday gestures, C. Müller and R. Posner, Editors. 2004, Weidler: Berlin. p. 217-223.

Zur Ringgeste bei Barack Obama

Lempert, M., Barack Obama, being sharp: Indexical order in the pragmatics of precision-grip gesture. Gesture, 2011. 11(3): p. 241-270.