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Dr. Silva H. Ladewig

Welche Funktionen erfüllen eigentlich Gesten?

Darstellung

Gesten können Objekte, Handlungen, räumliche Beziehungen oder abstrakte Konzepte darstellen. Sie schaffen Verweise auf die außersprachliche Wirklickheit und sind somit in der Lage, Teile der propositionalen Inhalte multimodaler Äußerungen zu formen. Diese Funktion ist besonders bei spontan kreierten Gesten vorherrschend, die die Merkmale der dargestellten Objekte oder Handlungen imitieren oder räumliche Verhältnisse und Größenverhältnisse darstellen. Spontan kreierte Gesten, wie die Darstellung einer Handlung, das Nachzeichnen einer Form oder Raumangaben bilden den Großteil der Gesten, die wir tagtäglich gebrauchen.

Ausdruck

Die expressive Funktion von Gesten bezieht sich auf den körperlichen Ausdruck von Emotionen, Gefühlen und Einstellungen der Sprecherin oder des Sprechers. Diese zeigen sich nicht nur in der Form der Geste, wie beispielsweise einer geballten Faust, sondern besonders in der Art und Weise wie die Geste ausgeführt wird, beispielsweise in einer energischen, kraftvollen Bewegung.

Appell

Gesten können eine appellative Funktion erfüllen, indem sie sich direkt an den Gesprächspartner richten und eine Reaktion oder Handlung einfordern. Diese Funktion manifestiert sich in Gesten, die auf Interaktionsebene fungieren und häufig einen Adressaten- beziehungsweise Adressatinnenbezug herstellen. Gesten mit appellativer Funktion können unter anderem dazu verwendet werden, Teile einer Äußerung zu markieren und für den Adressaten beziehungsweise die Adressatin relevant zu setzen (diskursive Funktion). Dies finden hier häufig in Gesten, die mittels Auf-und Abbwegung Äußerungsteile betonen. Gesten können aber auch selbst eine kommunikative Handlung (performative Funktion) ausführen, beispielsweise, wenn die offen Hand genutzt wird um eine Antwort einzufordern oder jemandem den Platz zuzuweisen. Somit interagieren sie auf der pragmatischen Ebene mit der Rede

Die Vielschichtigkeit von Gesten offenbart sich in ihrer Fähigkeit, simultan mehrere dieser Funktionen zu erfüllen, wobei in der Regel eine der Funktionen dominiert. Diese Multifunktionalität, kombiniert mit der engen Verbindung zwischen Geste und Sprache, unterstreicht die Komplexität der menschlichen Kommunikation und die zentrale Rolle, die Gesten dabei spielen.

Quellennachweise:

Eine Einführung in Sprache und Geste findet sich unter anderem in:

Ladewig, Silva H. (2018). Gesten als Teil von Sprache – Die moderne Gestenforschung. In: Moike Jessen, Johan Bloomberg & Jörg Roche (Hgg.), Kognitive Linguistik. (Kompendium DaF/DaZ, Vol. 2) Tübingen: Narr Verlag, 290-300.

Ladewig, Silva H. (2018) Gesten und ihre Bedeutung. In: Moike Jessen, Johan Bloomberg & Jörg Roche (Hgg.), Kognitive Linguistik. (Kompendium DaF/DaZ, Vol. 2) Tübingen: Narr Verlag, 300-31

https://www.lexikon-mla.de/lexikon/moderne-gestikforschung/

Zu den drei genannten Funktionen findet, siehe:

Müller, C. (2013), Gestures as a medium of expression: The linguistic potential of gestures. In: C. Müller, A. Cienki, E. Fricke, S. H. Ladewig, D. McNeill & S. Teßendorf (Hrsg.) Body – Language – Communication: An International Handbook on Multimodality in Human Interaction. Berlin, Boston: Mouton de Gruyter, 202–217. https://doi.org/10.1515/9783110261318.202

Müller, C., Ladewig, S. H. & Bressem, J. (2013), Gesture and speech from a linguistic point of view. In: C. Müller, A. Cienki, E. Fricke, S. H. Ladewig, D. McNeill & S. Teßendorf (Hrsg.) Body – Language – Communication. An International Handbook on Multimodality in Human Interaction. (Handbooks of Linguistics and Communication Science 38.1.). Berlin, Boston: De Gruyter Mouton, 55-81. https://doi.org/10.1515/9783110261318.55

Müller, C. (1998), Redebegleitende Gesten: Kulturgeschichte, Theorie, Sprachvergleich. Berlin: Arno Spitz.

Zur nach oben gerichteten flachen Hand siehe:

Cooperrider, K., Abner, N.& Goldin-Meadow, S. (2018). The Palm-Up Puzzle: Meanings and Origins of a Widespread Form in Gesture and Sign, Frontiers in Communication, 3(23). DOI: 10.3389/fcomm.2018.00023

Kendon, A. (2004), Gesture. Visible action as utterance. Cambridge: Cambridge University Press. https://doi.org/10.1017/CBO9780511807572

Müller, C. (2004), Forms and uses of the Palm Up Open Hand. A case of a gesture family? In: C. Müller & R. Posner (Hrsg.) Semantics and Pragmatics of everyday gestures Berlin: Weidler, 234-256.

Zur Geste des Weghaltens siehe:

Bressem, J.& Wegener, C. (2021). Handling talk: A cross-linguistic perspective on discursive functions of gestures in German and Savosavo, Gesture, 20(2), 219-253. **https://doi.org/10.1075/gest.19041.bre**

Bressem, J., Stein, N.& Wegener, C. (2015). Structuring and highlighting speech–Discursive functions of holding away gestures in Savosavo, G. Ferré et M. Tutton (ed.) Proceedings of GESPIN, 4, 49-54.