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Dr. Silva H. Ladewig

Wenn Worte stocken, schweigen die Hände

Stell dir vor, du erzählst eine spannende Geschichte. Deine Hände bewegen sich dabei, als würdest du die Worte in die Luft malen. Doch plötzlich suchst du nach dem nächsten Wort – und deine Hände bleiben ebenfalls still. Warum passiert das? Der Grund liegt in der tiefen Verbindung zwischen Sprache und Gestik. Gesten sind ein zentraler Bestandteil der Sprachproduktion, da sie unsere Kommunikation wesentlich unterstützen und erleichtern.

Gesten und Sprache: Ein synchronisiertes System

Forschungen zeigen, dass Sprache und Gesten eng miteinander koordiniert sind. Wenn wir beim Sprechen Pausen einlegen, Füllwörter verwenden oder zögern, pausieren oft auch unsere Gesten. Studien verdeutlichen, dass Gesten öfter gehalten werden, wenn das Sprechen nicht flüssig ist. Dieser Befund unterstreicht die enge Verbindung von Geste und Sprachfluss. Beide Prozesse laufen synchron ab; gerät die sprachliche Produktion ins Stocken, verliert die Geste ihre kognitive Orientierung und stoppt ebenfalls.

Die Rolle von Gesten bei der Reduktion kognitiver Belastung

Gesten reduzieren die kognitive Belastung beim Sprechen. Sie helfen dabei, Wörter zu finden und Sätze zu strukturieren. Wenn Sprecher ihre Gesten unterdrücken, steigt die kognitive Belastung, was zu mehr Anstrengung führt, um flüssig zu sprechen. Eine erhöhte kognitive Belastung führt zu mehr Unsicherheiten, während Gesten helfen, diese zu mindern. Eine Erklärung dafür ist, dass Gesten kognitive Hinweise bieten, die uns helfen, die richtigen Worte zu finden. Ohne diese Unterstützung muss das Gehirn mehr Ressourcen auf die sprachliche Planung verwenden.

Auswirkungen des Unterdrückens von Gesten

Gesten verbessern die Sprachflüssigkeit, indem sie komplexe Gedanken darstellen und so die Wortfindung erleichtern. Gesten sind eng mit der sprachlichen Produktion verknüpft sind und helfen, Gedanken flüssiger auszudrücken. Wenn wir gestikulieren, unterstützen unsere Handbewegungen die Sprachproduktion auf motorischer und kognitiver Ebene. Werden Gesten unterdrückt, steigt die kognitive Belastung, und die Sprachproduktion gerät ins Stocken.

Ein differenziertes Bild der Geste

Wie bei jeder Regel gibt es auch hier Ausnahmen. Eine Studie von Avcı et al. (2022) zeigte, dass das Unterdrücken von Gesten nicht immer dieselben negativen Auswirkungen hat. Besonders bei narrativen Erzählungen scheint das Sprechen auch ohne Gesten relativ flüssig zu bleiben. Interessanterweise sind es vor allem räumliche Informationen, die ohne die Hilfe von Gesten schwieriger zu vermitteln sind. Dies zeigt, dass die Funktion von Gesten stark vom Kontext abhängt: Wenn es darum geht, komplexe räumliche Zusammenhänge zu erklären, sind unsere Hände besonders wichtig. Hingegen spielen sie eine weniger bedeutende Rolle, wenn wir einfache Geschichten oder Anekdoten erzählen.

Fazit: Warum wir ohne Gesten ins Stocken geraten

Gesten sind ein zentraler Bestandteil der Sprachproduktion. Sie reduzieren die kognitive Belastung, verbessern die Sprachflüssigkeit und sind unverzichtbar für eine natürliche Kommunikation. Wenn wir ins Stocken geraten, liegt das oft daran, dass Sprache und Geste synchron arbeiten – und wenn eine dieser Komponenten ins Stocken gerät, pausiert die andere ebenfalls. Dies verdeutlicht, wie eng unsere motorischen und kognitiven Prozesse miteinander verknüpft sind. Das nächste Mal, wenn du merkst, dass deine Hände stillstehen, während du nach den richtigen Worten suchst, denk daran: Dein Gehirn versucht gerade, das Gleichgewicht wiederherzustellen – und die Gesten sind ein wichtiger Teil dieses Prozesses.

 

Wichtige Literatur

  • Reduktion kognitiver Belastung: Krauss, R. M., Chen, Y., & Gottesman, R. F. (2000). Lexical gestures and lexical access: A process model. New Directions for Child and Adolescent Development, 2000(79), 71-83. Betz, S., Bryhadyr, N., Türk, O., & Wagner, P. (2023). Cognitive Load Increases Spoken and Gestural Hesitation Frequency. Languages, 8(1), 71.

  • Unterstützung der Sprachflüssigkeit: Hostetter, A. B., & Alibali, M. W. (2008). Visible embodiment: Gestures as simulated action. Psychonomic Bulletin & Review, 15(3), 495-514. Avcı, C., Arslan, B., & Göksun, T. (2022). Gesture and Speech Disfluency in Narrative Context: Disfluency Rates in Spontaneous, Restricted, and Encouraged Gesture Conditions. Proceedings of the Annual Meeting of the Cognitive Science Society.

  • Auswirkungen des Unterdrückens von Gesten: Krauss, R. M., Chen, Y., & Gottesman, R. F. (2000). Lexical gestures and lexical access: A process model. Betz, S., Bryhadyr, N., Türk, O., & Wagner, P. (2023). Languages, 8(1), 71.

  • Gesten und Unsicherheiten: Graziano, M., & Gullberg, M. (2018). When speech stops, gesture stops: A cross-linguistic study of the timing of gestures with speech. Journal of Pragmatics, 123, 105-119. Sie sind ein wichtiger Bestandteil der Sprachproduktion, der uns dabei hilft, komplexe Gedanken klarer auszudrücken.