Verkörperte Schärfe: Die Schneidegeste in politischen Talkshows


In politischen Diskussionen zählen nicht nur Worte. Gesten betonen Standpunkte und verstärken die rhetorische Wirkung der Sprechenden. Besonders die Schneidegeste spielt hier eine Rolle. Meine aktuelle Studie untersucht ihre Verwendung in deutschen politischen Talkshows.
Was ist die Schneidegeste?
Die Schneidegeste (Slicing gesture) ist eine rekurrente Geste, bei der die flache Hand mit der Kante nach unten geführt wird. Diese Geste vermitteltSchärfe, Entschlossenheit und Klarheit* Durch ihre Nutzung können Redner*innen in politischen Talkshows ihre Argumente definieren und ihre Position im Diskurs verstärken.
Welche Funktionen erfüllt die Schneidegeste?
Laut meiner Studie erfüllt die Slicing-Geste verschiedene kommunikative Funktionen:
Definition eines Diskursobjekts: Sie wird genutzt, um Ideen oder Argumente zu definieren.
Diskursive Funktion: Sie erfüllt eine diskursive Funktion, indem sie die argumentative Gewichtung einer Aussage erhöht und deren semantische Prägnanz verstärkt.
Metapragmatische Bedeutung: Die Geste zeigt, dass der Sprecher etwas klar definieren möchte.
Stance-Taking: Sie hilft dabei, eine persönliche Haltung oder Meinung deutlich zu machen.
Besonders auffällig ist, dass die Slicing-Geste oft in Sequenzen auftritt, also mehrfach wiederholt wird. In diesen Kontexten entsteht die metapragmatische Bedeutung von "etwas scharf und klar definieren."
Gesten mit rhetorischer Wirkung
In politischen Talkshows geht es nicht nur um Argumente, sondern auch um Eindruck und Selbstinszenierung. Die Studie zeigt, dass Politiker*innen und Expert*innen mittels rekurrenter Gesten rhetorische Qualitäten verkörpern können. Im Fall der Schneidegeste sind es die Qualitäten von Schärfe, Entschlossenheit und Engagement.
Ein interessanter Aspekt ist die körperliche Wahrnehmung dieser Gesten. Die Ausführenden spüren die Bewegung selbst und erleben dadurch die Entschlossenheit, die sie vermitteln möchten. Ebenso können Adressat*innen diese Schärfe durch ihre Beobachtung nachempfinden.
Fazit: Mehr als nur eine Handbewegung
Diese Erkenntnisse verdeutlichen, dass politische Kommunikation nicht nur auf sprachlichen Mitteln beruht, sondern auch auf gestischen Ausdrucksformen. Die Schneidegeste fungiert als semiotische Ressource, die es Sprechenden ermöglicht, Argumente zu strukturieren und ihre rhetorische Positionierung zu verkörpern und zu visualisieren.
Quelle:
Ladewig, Silva H. (2025). Embodied sharpness: exploring the slicing gesture in political talk shows, In: Frontiers in Psychology 15. doi:10.3389/fpsyg.2024.1494192